4.
REISEBERICHT
Von
Mombasa nach Johannesburg,
16.
Dezember 2005 bis 15. Jänner 2006
Noch bei Dunkelheit breche ich auf, um genau bei
Sonnenaufgang am Mombasa International Airport anzukommen. Komisches
Gefuehl, vor 6 Jahren war ich mit dem Flugzeug da. Kaum haette ich
es damals fuer moeglich gehalten, hier wirklich einmal ueberland
auf einem Motorrad herum zu reisen. Das ist schon ein erhebendes
Gefuehl. Zweiter
Sonnenaufgang ist Gerdis Ankunft und gross ist die Wiedersehensfreude!
Mit einem anstaendigen Fischessen und einer noch anstaendigeren
Flasche Schampus feiern wir ihren Geburtstag unter Palmen am weissen
Sandstrand von Tiwi-Beach.



Nach
ein paar Tagen am Strand und Ausfluegen zum Schnorcheln aufs Korallenriff
bei Wasini Marine Park sind wir nicht nur schoen angebraeunt, sondern
haben auch Gepaeck aussortiert, neue Reifen montiert und uns generell
startklar gemacht.
 |
Gerdi
schafft es, ihr gesamtes Reisegepaeck in einen Tagesrucksack
unterzubringen und schon nach den ersten Kilometern zu zweit
auf der voll beladenen XT ist mir klar, dass der geplante Trip
zu zweit auch in der Praxis funktionieren wird.
Das mit einem Oehlins Federbein und White Power Gabelfedern
verstaerkte Fahrwerk macht sich absolut bezahlt. 40PS sind heutzutage
nicht viel fuer ein Motorrad. Aber diese kommen aus einem 600-er
Einzylinder Motor und der Drehmoment ist ausreichend stark genug,
um die Fuhre zuegig auf gut 100kmh Reisegeschwindigkeit zu beschleunigen.
Mehr als 110km/h auf afrikanischen Strassen halte ich nicht
fuer angebracht und waeren sowieso Sache des individuellen Risikomanagements.
|
 |
 |
Unvergesslich
auch die Worte eines kopfschuettelnden schwarzen Parkplatzwaechters
am Fort Jesus, Mombasa, als er hoert, dass die Maschine overland
hierhergefahren wurde: "That is so wrong, man!"


Tanzania
empfaengt uns mit 50km mittelschlechter Piste. Wir sehen Schwarzstoerche
und essen mittags im "Road Kill Caffee - You kill it, we grill it".
Die Speisekarte empfiehlt Gerichte wie "Flat Cat" oder "Chunk of
Skunk". Im Mikuni National Park sehen wir Giraffen, Antilopen und
Elefanten links und rechts von der Fahrbahn. Wir lernen Felix und
Marion aus Deutschland kennen. Sie sind mit Ihren Motorraedern von
Nairobi nach Santiago de Chile unterwegs. Das ist uns zu weit, aber
da wir uns am 24.12. kennenlernen, beschliessen wir kurzerhand,
Weihnachten gemeinsam zu feiern.

In
einer wunderschoenen Farm Lodge dinieren wir franzoesische Zwiebelsuppe,
Beef und Babypotatoes. Auch beim Fruehstueck im kolonialen Stil
auf einer Wiese vor der Lodge biegt sich die Tischplatte mit Koestlichkeiten.

An
der Grenze zu Sambia bekomme ich endlich die in manchen Laendern
vorgeschriebene "Yellow Card" Haftpflichtsversicherungskarte und
werde auch prompt 10min spaeter kontrolliert. Die Fahrt durch Sambia
gleicht einer Fahrt durch ein endloses gruenes Meer. Auch Gerdi
faehrt ein Stueck und ich zaehle Baueme, bis mir ein Kind mit einem
komischen Schirm auffaellt.


Bei
naeherer Betrachtung stellt sich der Schirm als Pilz heraus. Ein
Riesenpilz mit gut einem dreiviertel Meter Durchmesser. Atomkraftwerke
waren mir unterwegs nicht aufgefallen und von einem Stoerfall der
SuperGAU hat auch keiner geredet. Aber so viele Menschen gibt es
hier auch gar nicht. Die Doerfer und Menschen wirken "aufgeraeumter"
als in anderen Teilen des Kontinents. Trotzdem bekommen wir an einer
Tankstelle eine Spezialitaet serviert: frittierte Raupen!

Bei
einer Fahrt durch Afrika kommt man zwangsweise irgendwann irgendwo
in irgendeine Regenzeit. Puenktlich um 15h faengt die sog. Kleine
Warme Regenzeit an, genau, als wir gerade Pause machten. Der Regen
wird zum Sturzregen, ueberflutet die Strassen und weiter kommen
wir an diesem Tag nicht.


Nach
Livingstone im Suedwesten des Landes sind es 3 eher unspektakulaere
Tage. Immer wieder Regenschauer, die sich aber noch in Grenzen halten.
Gerdi laesst ihren Charme spielen und wir bekommen ein Chalet zum
Preis eines Zeltplatzes und werden sogar zum Abendessen am Luxusbuffet
der Fringilla Lodge eingeladen! Blond muss man sein...

Die
Victoria Falls sind eines der beeindruckendsten Naturwunder in Afrika,
wahrscheinlich der ganzen Welt. Auf einer Breite von mehreren Kilometern
stuerzt der Zambesi hunderte Meter in eine Schlucht. Stundenlang
beobachten wir die tosenden Wasserkaskaden bevor wir in Namibia
einreisen.
-___-
NAMIBIA
In
Namibia wirds deutsch. Von der Konditorei bis zum gehaekelten Klodeckelueberzug.
Von einem Arzt des deutschen Entwicklunsdienstes und seiner Frau werden
wir zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Bei Ihnen erfahren wir viel Interessantes
und Hintergruende ueber die praktische Arbeit des DED und vor allem
Zahlen ueber die schockierende Ausbreitung der Krankheit AIDS. 43%
der Bevoelkerungs sind infiziert. Fast jeder Zweite, den man auf der
Strasse sieht, wird in ein paar Jahren nicht mehr da sein.
 |
Spaet
brechen wir auf und erst bei Dunkelheit erreichen wir das Ngeri
Camp am Okawango. Die Strasse ist eine aeusserst herausfordernde
Sonderpruefung.
Durch die schweren Regenfaelle haben sich lange und unergruendlich
tiefe Pfuetzen gebildet, die im Scheinwerferlicht eigentlich
nur den dunklen Himmel reflektieren. Das wirkt dann so, als
ob man in ein bodenloses Loch hineinfaehrt. Der Schlamm am Grund
tut sein Uebriges, um die Fahrt recht spannend zu machen. Aber
wir schaffen es sturzfrei. |
 |
 |



Im
Okawango Gebiet war es ausser feucht nur nass. Wir stehen vor der
Entscheidung, was wir von Namibia sehen wollen. Der einzig guenstige
Rueckflug nach Mombasa geht von Johannesburg aus, so dass wir nicht
unendlich viel Zeit haben. Urspruenglich wollte ich ins entlegene
Kaokoveld in NW-Namibia zu dem Stamm der Himba, welche eines der
letzten verbliebenen Naturvoelker der Erde sind. Nicht nur Massen
an Individualtouristen sondern seit Neuestem auch organisierte Pauschalreisen
wollen sich das nicht entgehen lassen! Das Schicksal und der Kulturverlust
der Himba ist vorgezeichnet und wird sich nicht aufhalten lassen.
In ein paar Jahren werden sie wie die Massai in Kenya oder die Mursi
(Tellerlippen) in Aethiopien vom Tourismus besser leben als von
der angestammten Rinderzucht. Dann faellt mir eine Textzeile aus
einem Lied der Austroschockpop Band Erste Allgemeine Verunsicherung
(EAV) ein: "Afrika, Afrika, heute gehn wir Negerschaun, des wird
ein Trara, UH!" und gemeinsam erkennen wir, das wir auf einen Besuch
eines Zoos mit Menschen gerne verzichten.
NAMIBIA
Es
regnet immer staerker und die Aussicht auf heisses trockenes Wuestenklima
in der Namib ist mehr als reizvoll. Vorher noch schnell Mittagessen,
doch was ist das? Huehnerhaelse auf Reis mit Kartoffelsalat. Hmm,
auch Beilagen machen satt. Die Pisten in Namibia sind ein Traum!
Im Gegensatz zu denen z.B. in Sudan, Aethiopien oder Kenya haben
sie keine Schlagloecher, sind sogar bedingt PKW tauglich und lassen
locker 110km/h zu. Gerdi schlaeft einmal ein und wacht erst auf
als sie beinahe herunterfaellt.

Den Jahreswechsel verbringen wir in einem wunderschoenen Hotel.
Die Badewanne tut besonders nach diesen Regenfahrten gut. Die Einwohner
sind wegen der Feiertage alle an die Kueste gefahren, sodass wir
nur mit den uebergebliebenen sehr ulkigen Gestalten anstossen. Interessant
war auch die Bekanntschaft mit 3 chinesischen Piloten/Ingenieuren
von Kampfjets.
-
Es
regnet nicht, es kuebelt! Um 13h wagen wir die Weiterfahrt und besichtigen
einen Meteoriten, ein Klumpen aus 60 Tonnen Eisen und Nickel, der
vor laengerer Zeit aus dem Weltall hier aufgeschlagen ist. Das Material
des hinteren Bremsfluessigkeitsbehaelters ist durch eine nahe verlaufende
heisse Oelleitung poroes geworden. Immer wieder tropft es auf den
Auspuffkruemmer. Ein Distanzstueck aus einer alten Oelleitung schafft
vorerst Abhilfe und als wir regennass Abends ein Bed & Breakfast
erreichen, empfaengt man uns mit den Worten: "Super, Ihr habt Glueck!
Das ist der erste Regen seit April!"
Danke.
--

Swakopmund
ist eine deutsche Kleinstadt, die aussieht wie eine amerikanische
Kleinstadt und liegt genau dort, wo die Duenen der Namib Wueste
den Suedatlantik erreichen.

Wir
erregen wiedermal Aufmerksamkeit und duerfen erstmal der AZ, der
aeltesten deutschen Zeitung Namibias, ein Interview geben. Dann
die perfekte Mann/Frau Arbeitsteilung: Gerdi geht Vorhangstoffe
kaufen (ja, was die Beladung von Motorraedern betrifft, sind wir
mittlerweile ganz gut) und ich gehe Oel wechseln. Und wenn wir schon
beim Shoppen sind, kaufen wir noch zwei Paar Schuhe fuer Gerdi und,
weil die hiesigen, fussumschmeichelnden Kudulederschuhe wirklich
ein Traum und auch guenstig sind, ein Paar fuer mich. Meine Laufschuhe
bekommen den Laufpass und der Junge, dem ich sie geschenkt habe,
hat vor Freude geglaubt, es ist Weihnachten und Ostern gleichzeitig.
 |
Weiter
geht die Fahrt ueber Walfish Bay quer durch die Namib Wueste.
Perfekte Piste, 100km/h und 50 Meter Staubfahne im Schlepptau
- das macht gluecklich! |
 |
 |
Gelegentlich
Vogelstraeusse, die rund 60km/h schaffen, und als wir Mittagspause
machen, werden wir zur Touristenattraktion fuer eine Gruppe Italiener,
die mit 3 SUVs durch Namibia touren. Der obligatorische Regen (lt.
Einheimischen seit Jahren nicht mehr so intensiv) macht auch vor
der Wueste nicht halt, und tiefe Furten queren die Strasse wie kleine
Fluesse. Jetzt, nach ueber 20.000km, faellt die Maschine zum ersten
mal komplett aus.

Rien
ne va plus. Motor stirbt ab. Zuendung quittiert den Dienst. Und
das mitten im stroemenden Regen! Die Italiener holen uns ein und
machen wieder Fotos. Dankenswerterweise erklaeren sie sich gerne
bereit, uns abzuschleppen. Also Reepschnur raus, Gerdi ins Auto,
und wer schonmal beim Abschleppen am Motorrad gesessen ist, weiss,
dass das ein bisschen ungut ist. Zum Glueck gibt es kaum Kurven,
das waere ganz schwierig, dafuer sind Wasserfurten zu durchqueren.
Nach 20km erreichen wir den naechsten Ort und nach einer Vergaserdurchspuelung
springt die Alte wieder an. Wir schmeissen eine Runde Bier fuer
unsere Freunde und werden zum Essen eingeladen.
----

Die
Duenenlandschaft rund um Sossusvlej ist gigantisch. Angeblich die
hoechsten der Welt. Gigantisch auch der Eintrittspreis von 30Euro
und die Frechheit, fuer die letzten 5km ohne Vorankuendigung nochmals
den gleichen Betrag fuer ein Off Road Taxi abdruecken zu muessen.
Auf dieser Strecke habe ich auch den ersten und einzigen Sturz auf
dieser Reise. In einem Sandfeld zu zweit ist die Maschine nicht
mehr zu halten und wir wuzeln uns im Sand. Dank Schutzkleidung und
der relativ geringen Geschwindigkeit bleiben wir unverletzt.
Dank
des Jahrhundertregens lernen wir auch einen netten Fahrer der Telekom
Namibia kennen, der uns freundlicherweise im naechsten Guss abschleppt.
Gerdis Humor, den sie selbst in so unangenehmen Situationen nicht
verliert, ist bewundernswert.
 |
Wenn
Du voellig durchnaesst mitten in der Pampa im Regen bei Gewitter
stehst, kannst Du Dich nur damit troesten, dass die Sache
in absehbarer Zeit zumindest eine gute Story ist.
Dennoch
wird mir die Sache zu bloed und mittlerweile ist die Macke
eindeutig der Elektrik zuzuordnen. Da mein Verdacht eindeutig
auf die Zuendspule faellt, bastle ich aus dem schon hilfreichen
Stueck alter Oelleitung und etwas Textilklebeband einen Spritzschutz.
|
 |
 |
Durch
die suedlichen Auslaeufer der Kalahari reisen wir nach Osten, Richtung
Johannesburg. Eine Nacht verbringen wir in einem Wald aus seltenen
Koecherbaeumen und nicht weit davon ist eine Gegend, in der riesige
Steinbrocken wie Baukloetze uebereinander liegen. Nicht umsonst
heisst der Platz "Giants' Playground".

Der
Besitzer des Campgrounds hat seinen eigenen Streichelzoo mit Warzenschwein,
Erdmaennchen, Kudu und sogar nicht streicheltauglichen Leoparden.
Grosser
Moment auch die Einreise in Suedafria. Das letzte Land der Reise
ist erreicht und in Uppington bekommen wir auch den durchaus amerikanischen
Charakter der hiesigen Staedte mit.

Sogar
kalte Getraenke bekommen wir und duerfen Gerdis Freunde in Pretoria
anrufen, die uns am Abend zum Essen einladen und uns zum beeindruckenden
Unions Building fuehren, wo seinerzeit Nelson Mandela angelobt wurde.

Auch
der Spritzschutz fuer die Zuendspule scheint zu funktionieren. Jedenfalls
hatten wir auch bei den seltenen Schauern in Suedafrika keine Aussetzer.
Am
Flughafen von Johannesburg flirtet Gerdi mit ein paar Zivilpolizisten
und wir duerfen gratis unter Polizeiaufsicht direkt vor der Abflughalle
parken. Trotzdem ist der traurige Moment des Abschieds nicht aufzuschieben.
7000km quer durch Afrika sind wir gemeinsam gereist und sehr ungewohnt
ist es, ohne so einen wunderbaren Reisepartner weiterzumachen.
|